Mukoviszidose e.V. Wirkungsbericht 2019

Teil B: Angebote und Wirkungen

1.4 Eine chronische Krankheit und ihre sozialen Folgen

hilft es, wenn Gesetzgeber und Kostenträger für die grund- legende Finanzierung der CF-Ambulanzen sorgen, aber nicht genügend Menschen der Berufung folgen, sich pro- fessionell für eine seltene Erbkrankheit zu engagieren. Ein im Berichtsjahr vom Mukoviszidose e.V. in Auftrag gege- benes Fachkräftegutachten brachte zutage, dass fast jede zweite Stelle in der Mukoviszidose-Versorgung derzeit und bis zum Jahr 2030 nicht besetzt werden kann. Dieser Zustand ist nicht zuletzt bezüglich der voraussichtlichen Einführung der neuen Modulatoren-Medikamente prekär, denn diese sollten den Betroffenen ausschließlich durch Fachärzte an zertifizierten CF-Ambulanzen verabreicht werden. Die flächendeckende Versorgung von CF-Betrof- fenen mit den neuen Wirkstoffen ist somit aufgrund die- ses Behandler-Notstands von Beginn an gefährdet. Hilfe schaffen könnte, neben einer auskömmlichen Finanzie- rung der ambulanten Leistungen und für das Fachpersonal angemessene Gehälter, eine gezielte Förderung der Aus- und Weiterbildung von Fachpersonal. Die Umsetzung die- ser Maßnahmen wird der Mukoviszidose e.V. auch künftig mit Nachdruck bei den politisch Verantwortlichen einfor- dern. Darüber hinaus wird der Bundesverband über die Möglichkeit weiterer Handlungsoptionen und Projekte zur Entschärfung des Fachkräftemangels beraten. Neben der Situation in Erlangen zeigen personelle, ver- sorgungsqualitative und räumliche Engpässe sowie man- gelnde Unterstützung durch die Kostenträger an weiteren Standorten – (wir haben darüber u.a. im Vorjahr berich- tet), dass die Versorgung von Mukoviszidose-Patienten in Deutschland flächendeckend bedroht ist! Bei der Geburt eines mukoviszidosekranken Kindes ist dessen Lunge nicht von Krankheitskeimen besiedelt. Die Vermehrung von Bakterien, die sich im Schleim der Lunge einnisten, wird in den Kinder- und Jugendjahren zumeist durch Antibiotika eingeschränkt, womit sich Infektionen vorbeugen lässt. Allerdings entwickeln Bakterien immer häufiger Strategien, um sich gegen Antibiotika zu schüt- zen. Mit steigendem Lebensalter erhöht sich die Wahr- scheinlichkeit einer chronischen Infektion. Die Lunge der meisten betroffenen Erwachsenen weist eine chronische Besiedelung mit dem Bakterium Pseudomonas aerugi- nosa auf, was langfristig zu einer Verschlechterung der Lungensituation führt. Einige Bakterien bilden zusammen mit dem zähen Schleim einen Biofilm in der Lunge der Er- krankten. Durch den zähen Schleim finden die Bakterien einen idealen Nährboden vor, in dem sie sich regelrecht verschanzen und für Antibiotika nur schwer zugänglich sind. Multiresistente Infektionserreger wie beispielsweise Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus oder 1.4.2 Einschnitte in der Lebenserwartung und -qualität durch multiresistente Keime

Früher war Mukoviszidose eine Kinderkrankheit. Heute ist die Chance das Erwachsenenalter zu erreichen, so hoch wie nie. Laut Berichtsband des Deutschen Mukoviszidose- Registers 2018 machten Erwachsene bereits mehr als die Hälfte der Mukoviszidose-Patienten aus. Mittlerweile hat ein heute geborener Mukoviszidose-Patient eine statisti- sche Lebenserwartung von 53 Jahren. Das steigende Alter bringt Probleme bei der Versorgung mit sich, denn das Gesundheitssystem in Deutschland ist auf diesen Wandel nach wie vor nicht ausgerichtet. So müssen erwachsene Mukoviszidose-Patienten vielerorts noch in Kinderkliniken behandelt werden, da es zu wenige Ambulanzen für volljährige Erkrankte gibt oder weite Wege in Kauf nehmen, um medizinisch gut versorgt zu werden. Dies ist je nach Gesundheitszustand nicht für jeden Patien- ten leistbar. Und die Situation wird sich weiter verschärfen. Eine 2015 auf Basis der Patientendaten des Europäischen Mukoviszidose-Registers (European Cystic Fibrosis Society) errechnete demographische Prognose ergab, dass die An- zahl der erwachsenen Patienten mit Mukoviszidose bis 2025 um etwa 50 Prozent ansteigen wird. Die Mängel bei der Versorgung erwachsener Betroffener lassen sich gut am Beispiel der CF-Ambulanz des Kinder- klinikums Erlangen verdeutlichen. Hier waren im Juli 2016 über 80 Patienten in der Region von einem akuten Versor- gungsnotstand betroffen, als der Zulassungsausschuss Ärzte Mittelfranken beschloss, dass die Kinderklinik die Behandlung der erwachsenen Patienten nicht mehr ab- rechnen dürfe. Mukoviszidose-Patienten benötigen eine qualitätsgesicherte, umfassende Versorgung, die teil- weise auch teure Untersuchungen umfasst. Fallen diese weg, müssen die Patienten eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes befürchten. Auf Druck des Mukoviszidose e.V. konnte eine bis Ende 2017 geltende Finanzierungsvereinbarung erwirkt werden, die die Versorgung der Patienten bis dato sicherte. Wie Vertretern des Mukoviszidose e.V. Ende 2018 durch die Klinikleitung mitgeteilt wurde, sollte ab Frühjahr 2019 an der Kinder- und Jugendklinik ein gemeinsames CF-Zentrum für Erwachsene und Kinder eröffnen. Das Zentrum war je- doch bei Redaktionsschluss dieses Berichts immer noch nicht eröffnet. Grund hierfür waren nicht ausschließlich finanzielle Gründe, sondern der Umstand, dass nicht ge- nügend Behandler vorhanden waren, um das erforderliche multidisziplinäre CF-Team zu besetzen. Die beschriebene Situation macht ein weiteres Problem deutlich, denn was 1.4.1 Prekäre Engpässe bei der Versorgung erwachsener Patienten

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Mukoviszidose e.V. | JAHRESBERICHT 2019

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