Mukoviszidose e.V. Wirkungsbericht 2019

Teil B: Angebote und Wirkungen

Das Leben selbst in die Hand nehmen – Erwachsenen-Seminare des Mukoviszidose e.V. Ein Gespräch mit Barbara Senger, Referentin Hilfe zur Selbsthilfe

Wie wird das Angebot von der Zielgruppe angenommen? Werden die Teilnehmenden auch an der Entwicklung neuer Veranstaltungsformate beteiligt? Die Veranstaltungen werden sehr gut angenommen. Die CF- Erwachsenentagung erfreut sich seit der ersten Veranstal- tung im Herbst 2016 wachsender Teilnehmerzahlen. Auch Seminare zu speziellen Themen wie CF und Beruf, Trans- plantation, Depression oder Resilienz erfreuen sich regen Interesses. Und ja, von Anfang an haben wir die Teilnehmer in die Ent- wicklung der Angebote für erwachsene Betroffene einbezo- gen, um nicht am Bedarf vorbeizuplanen. Daher haben wir bei unseren Veranstaltungen immer Raum für die Abfrage von Themenwünschen, aktuellen Problemen und Ideen für zukünftige Veranstaltungsangebote. Die CF-Erwachsenentagung ist eine jährlich stattfindende Veranstaltung, die sich an erwachsene Betroffene, deren Freunde, Partner und Geschwister richtet. Deren Eltern dür- fen jedoch nicht teilnehmen. Welche Idee steckt dahinter? Über viele Jahrzehnte war die Selbsthilfearbeit im Bereich der Mukoviszidose eine Arbeit mit und für Eltern von CF- Kindern, da es ja sehr lange nur betroffene Kinder gab. Wie schon erläutert, hat sich diese Situation grundlegend ge- wandelt und wir schätzen uns sehr glücklich, dass es heute so viele erwachsene Betroffene gibt. Erwachsen werden bedeutet aber nun nicht nur, einen Be- ruf zu erlernen, Partnerschaften einzugehen und für sich selbst entscheiden zu dürfen, es bedeutet eben auch und zuvorderst die Verantwortung für alle Bereiche des Lebens in die eigenen Hände zu nehmen. Hierzu gehört nicht zu- letzt die Verantwortung für die eigene Gesundheit. Genau dieses Thema ist aber naturgemäß zwischen Eltern und ihren chronisch kranken Kindern besonders schwierig und sensibel, haben doch die Eltern, oft unter erheblichen per- sönlichen Verzichten, alles dafür getan, dass es ihren Kin- dern heute so gut geht. Da ist es nur verständlich, dass es ihnen nicht so leichtfällt, den Kindern die Verantwortung für ihre Gesundheit zu übertragen und womöglich mit ansehen zu müssen, wie sie das Erreichte leichtsinnig aufs Spiel set- zen. Und trotzdem gehört genau diese Freiheit auch dazu. Umso wichtiger ist es, dass die erwachsenen Betroffenen, die Gelegenheit haben, sich mit anderen Erwachsenen in einem geschützten Rahmen auszutauschen und so den für sie selbst bestenWeg imUmgang mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit zu finden.

Frau Senger, seit 2016 bietet der Mukoviszidose e.V. Veranstaltungen an, deren Inhalte sich speziell an er- wachsene CF-Betroffene richten. Wie kam es dazu? Lange Jahre galt Mukoviszidose als eine „Kinderkrank- heit“, weil Kinder mit dieser unheilbaren Erbkrankheit das Erwachsenenalter oft nicht erreichten. Dementsprechend war das zunächst wichtigste und erklärte Ziel des Muko- viszidose e.V., die Behandlungsmöglichkeiten der an CF erkrankten Kinder so nachhaltig zu verbessern, dass die Kinder das Erwachsenenalter überhaupt erreichen konnten. Wir sind sehr froh, sagen zu können, dass in den letzten 50 Jahren in dieser Hinsicht sehr viel erreicht werden konnte. Dank intensiver Forschung weiß man heute sehr viel über die Erkrankung. So hat eine in vielerlei Hinsicht optimierte Behandlung (Entwicklung wirksamer Medikamente; Verab- reichung von Enzymen; CF-spezifische Ernährungs- u. Phy- siotherapie etc.) zu einer deutlich gestiegenen Lebenser- wartung geführt. Im Jahr 2018 lag beispielsweise der Anteil der Erwachsenen-Mukoviszidose-Patienten in Deutschland bei rund 58 Prozent. Diese erfreuliche Tatsache verlangte nach neuen Angeboten für eine neue Zielgruppe. Es war unser Wunsch, Angebote zu schaffen, die sich mit dem All- tag, den Herausforderungen, Wünschen und Bedürfnissen sowie der Lebenswelt von erwachsenen Betroffenen be- schäftigen. Ein sehr wichtiges Angebot, dass diese Berei- che anspricht und abdeckt, ist die CF-Erwachsenentagung, die seit 2016 jährlich imHerbst stattfindet und sich in jedem Jahr wachsenden Interesses erfreut. Was sind denn typische Erwachsenenthemen? Zunächst einmal ist zu sagen, dass die Themen, die erwach- sene CF-Betroffene bewegen, die gleichen sind, mit denen sich auch gesunde Erwachsene der gleichen Altersgruppe beschäftigen. Themen wie: Schule und Studium, Ausbil- dung und Beruf, die Abnabelung vom Elternhaus, Liebe und Sexualität, Freundschaften, Partnerschaft, Familiengrün- dung, Reisen, Sport etc. Eben alles, was ein „normales“ Leben ausmacht. Das entscheidend Andere im Leben von CF-Betroffenen ist aber sicherlich, dass in ihrem Alltag immer noch die zeit- aufwendigen Therapien Platz finden müssen und dass die Stabilität ihres Gesundheitszustandes nicht selten davon abhängt, wie gut die Integration des Therapieregimes in den normalen Tagesablauf gelingt.

Das Interview mit Barbara Senger führte Marc Taistra, Mukoviszidose e.V.

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Mukoviszidose e.V. | JAHRESBERICHT 2019

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