muko.info 2/2022 "Mit Mukoviszidose im Ausland leben"
Mit Mukoviszidose in die USA ziehen – ist doch eh nicht möglich ... oder doch?
Ich schickte eine umfangreiche Liste mit allen Medikamenten, Ärzten, Behandlun- gen und Diagnosen, die mich betreffen, an die US-Krankenversicherung. Ich betrachtete die Auflistung, bevor ich sie abschickte, und war mir sicher, keine Chance zu haben. Umso überraschter waren wir beide, als wir dann erfuhren, dass Vorerkrankungen und die sich da- raus ergebenden medizinischen Kosten nicht von der Krankenversicherung aus- geschlossen werden dürfen und ich über meinen Mann krankenversichert bin. Allerdings ist zu beachten, dass in den USA trotz einer abgeschlossenen Kran- kenversicherung Zuzahlungen anfallen. Wie hoch diese Eigenbeteiligung ist, hängt von der Art des Krankenversiche- rungsvertrages ab, den man abschließt. Gesunde Menschen schließen in der Re- gel Verträge mit einem niedrigen Beitrag ab, haben aber im Krankheitsfall sehr hohe Selbstbeteiligungen. Menschen mit Vorerkrankungen wird geraten, einen höheren monatlichen Beitrag zu wählen. Dafür ist die Eigenbeteiligung geringer. Die Informationen, die wir von der Kran- kenkasse bekamen, gaben uns einen guten Einblick in die zu erwartenden Kosten, jedoch ließ sich nicht alles im Voraus zu 100% ermitteln. Sollten wir es trotzdem wagen? Unsere einstimmige Antwort darauf lautete „ja“, und mein Mann nahm das Jobangebot an. Los geht’s... Ich informierte meine deutschen Ambu- lanzen und Ärzte, erledigte alle wichti- gen Untersuchungen vor meiner Abreise und bekam einen großen Medikamen- tenvorrat für die Anfangszeit verschrie- ben. Mein behandelnder Transplantati- Höhe der Eigenbeteiligung hängt vom Vertrag ab
onsarzt konnte mir dankenswerterweise bereits in Deutschland den Kontakt zur Transplantationsambulanz in den USA herstellen. Mein Mann war bereits drei Monate vor mir in die USA gezogen und Anfang Sep- tember reiste ich dann ebenfalls ohne Rückflugticket nach Raleigh in North Carolina. Kurz nach meiner Anreise wurde ich auch gleich in der neuen Ambulanz vorstellig, ummeine medizinische Versor- gung sicherzustellen. Schnell stellte ich fest, dass hier einiges anders ablief. Die Digitalisierung ist deutlich fortgeschritte- ner als in Deutschland. Das meiste wird über die App des Krankenhauses erledigt. Ich kann meine Termine einsehen und neue vereinbaren, Rezepte nachbestellen und auch direkt mit dem Arzt in Verbin- dung treten. Alle Untersuchungsergebnis- se, egal ob Röntgen oder Blutentnahme, werden mir in dieser App angezeigt. Bei meinem ersten Termin mit meinem neuen Arzt habe ich übersetzte deut- sche Arztbriefe vorgelegt und erstmal alle notwendigen Untersuchungen auf- gezählt, die ich so in einem Jahr absol- viere: Von Nephrologe über Hautarzt zu Gastroenterologe usw. Es war kein Pro- blem, die notwendigen Überweisungen von ihm zu bekommen. Diese wurden mir aber nicht ausgehändigt, sondern die je- weiligen Fachabteilungen sind informiert worden und haben sich bei mir zwecks Terminvergabe gemeldet. Auch werden Rezepte nicht dem Patien- ten ausgehändigt, sondern direkt an die Apotheke geschickt, die sich der Patient ausgewählt hat. Ich habe auf Anraten meiner Versicherung eine große Versand- apotheke gewählt, die mir meine Medi- kamente per Post schickt. Der Arzt ver-
Kerstin Meier (37) wohnt mit ihrem Mann in North Carolina, USA.
Das Land der unbegrenzten Möglichkei- ten steht nicht gerade im Ruf, ein soziales Krankenversicherungssystem zu haben. Wie lebt es sich dort mit einer chronischen Erkrankung? Ein Erfahrungsbericht: Traue ich mir das zu? Das Jobangebot meines Mannes, für drei Jahre in North Carolina – USA zu arbeiten, kam wie aus heiterem Himmel. Wir hatten früher schon des öfteren gewitzelt, wie es wohl wäre, eine Zeit ins Ausland zu gehen, aber nie konkret danach gesucht. Nach meiner Lungentransplantation im Jahr 2016 spielte der Gedanke keine Rolle mehr. Die Anfrage weckte aber unsere Neugier und wir beschlossen, nicht gleich abzusagen, sondern erstmal die wichtigs- ten Informationen überhaupt in Erfahrung zu bringen: Wäre ich, trotz diverser Vorer- krankungen, in den USA überhaupt kran- kenversichert? Welche Kosten entstünden uns dabei? Wären meine Medikamente und Behandlungen von der Krankenkasse gedeckt? In den USA ist es üblich, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine Krankenversicherung anbieten. Dies ist jedoch eine freiwillige Sozialleistung.
16 Schwerpunkt-Thema: Leben mit Mukoviszidose im Ausland
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