muko.info 2/2022 "Mit Mukoviszidose im Ausland leben"
Panik wegen fehlender Versicherung Als Ausländer in Saudi-Arabien
Keine Behandlung für Ausländer Die meisten Daten dieses Artikels habe ich nach einer Internetrecherche zusam- mengestellt und kann persönlich wenig darüber berichten. In meiner Kindheit wurde ich einige Male wegen schwerer Bronchitis behandelt. In meiner Jugend litt ich jahrelang unter schwerer Nasen- atmungsbehinderung. Die kostenlose medizinische Versorgung war inzwischen nur saudi-arabischen Staatsbürgern vorbehalten worden. Wir als Ausländer hatten auf einmal keinen Zugang mehr zur medizinischen Behandlung. Eine ärzt- liche Vorstellung kam mir deshalb nicht einmal in den Sinn, da ich „nicht akut krank war“. Krankenversicherungen exis- tierten damals noch nicht und wir hätten die Behandlungskosten selbst bezahlen müssen. Dies war in einer Familie mit acht Kindern und nur einem erwerbstäti- gen Elternteil schwierig. Durch Bekannte unserer Nachbarn wurde ich am Unikli- nikum vorstellig und operiert. Vor der Operation musste ich bei der Aufnahme behaupten, ich sei saudi-arabischer Staatsbürger und ich hätte meinen Aus- weis zuhause vergessen. Ich war damals 17 Jahre alt. Ich hatte Panik und Angst davor, erwischt zu werden. In Gedanken habe ich mich schon in Handschellen im Polizeiauto gesehen. Es war ein sehr trauriger und unvergesslicher Moment für mich. Diagnose nach eigener Recherche Fortan zeigten sich meine Beschwerden hauptsächlich in den oberen Atemwegen. Ich hatte Nasenpolypen, chronische Nasennebenhöhlenentzündung mit mehrmaligem Ausbruch im Jahr sowie Schnarchen und Müdigkeit wegen Schlaf- störung. Nach insgesamt vier Operatio- nen an den Nasennebenhöhlen innerhalb von fünf Jahren (zweimal in Saudi-Arabi-
Abdullah Aybek hat Mukoviszidose und wuchs als Kind von Ausländern in Saudi-Arabien auf. Er studiert in Deutschland Medizin und schildert hier seine Erfahrungen in einem Land ohne Krankenversicherungen. Liebe Leserinnen, liebe Leser, Saudi-Ara- bien, das Land, in dem ich aufgewachsen bin, verfügt dank finanzieller Ressourcen über eine gute medizinische Versor- gung, die sowohl staatlich als auch von privaten Trägern angeboten wird. Die medizinische Behandlung ist für alle Bürger zugänglich und kostenlos. Es gibt zunehmend spezialisierte Zentren in den Großstädten, die über modernste Techniken und gut ausgebildetes Perso- nal verfügen. Die Wahrscheinlichkeit der Geburt eines Kindes mit Mukoviszidose ist dort mit 1:4.000 halb so hoch wie in Deutschland (1:2.000). Die Erkrankung ist in der Gesellschaft wenig bekannt und der Name der Erkrankung vielen ein Fremdwort. Die Gesundheitsbehörden führen Aufklärungskampagnen, um die Erkrankung präsenter zu machen. Eine Pflicht zum Neugeborenenscreening wurde um 2005 eingeführt, schließt aber Mukoviszidose nicht mit ein. Bei Ver- dacht auf das Vorliegen der Erkrankung wird der Schweißtest durchgeführt. Die Therapieansätze erstrecken sich von antibiotischer Therapie, Atemtherapie einschließlich Physiotherapie bis hin zur medikamentösen Therapie mit Tricafta (Elexacaftor, Tezacaftor und Ivacaftor). Im Falle eines Therapieversagens kommen ECMO und Lungentransplantation zum Einsatz, wobei letztere bis vor ein paar Jahren aufgrund religiöser Auslegung ultrakonservativer Gelehrter und dem da- mit verbundenen Mangel an Bereitschaft zur Organspende weniger verbreitet war.
en und zweimal in Deutschland) drängte ich meine Ärzte dazu, mich auf seltene Ursachen wie Mukoviszidose und Zilien- dyskinesie zu untersuchen. Die beiden Erkrankungen hatte ich als junger, mo- tivierter Medizinstudent in der Fachlite- ratur für Pädiatrie nachgeschlagen. Das Ergebnis des Schweißtests fiel zweimal grenzwertig aus. Letztendlich bestätige sich die Diagnose durch eine Genanalyse mit dem Nachweis von zwei CF-typischen Mutationen. Ich war trotz der Diagnose erleichtert, denn man wusste endlich, was ich hatte und konnte dem Kind einen Namen geben. Aktuell bin ich in Behand- lung mit Antikörpertherapie (Dupilumab). Darunter haben sich meine Beschwerden deutlich gebessert. Meine letzte und hoffentlich letztmalige (fünfte) OP erfolg- te im Jahr 2017. Der Zugang zur medizinischen Versor- gung ist ein Grundrecht und sollte nie- mandem verweigert werden. Kranken Menschen zu helfen und sie zu fördern, spiegelt die Werte jener Gesellschaft. Sie leisten eine wunderbare Arbeit. Ich dan- ke Ihnen allen für Ihren tollen Einsatz und Ihre großzügige Unterstützung.
Abdullah Aybek
Abdullah ist in Saudi-Arabien aufgewachsen und lebt jetzt in Deutschland.
21 Schwerpunkt-Thema: Leben mit Mukoviszidose im Ausland
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