muko.info 2/23 Diagnose Mukoviszidose: Erfahrungen mit Behörden

David gegen Goliath … und warum man trotzdem nicht aufgeben sollte

Anerkennung eines entsprechendes Pflegegrades oder des Schwerbehinder tenausweises in Verbindung mit diver sen Merkzeichen geht. „Die ärztlichen Gutachten sind zu gut.“, „Ihr Sohn ist viel zu fit“ und noch dazu hat er ja „nicht einmal eine geistige Beeinträchtigung“. All diese und noch viele weitere unverschämte Kommentare mussten wir uns von unterschiedlichs ten Gutachtern anhören, die bei uns zu Hause vorstellig wurden, um einen Anspruch auf Pflegegrad, bzw. die Aner kennung einer Schwerbehinderung bei unserem Sohn festzustellen. Schnell wurde klar, dass diese „Ver günstigungen“ (falls es überhaupt wel che sind, wenn man sieht, welch oftmals auch tückische Erkrankung dahinter steckt) nur sehr ungern von den zustän digen Behörden gewährt werden. gen, um den Pflegegrad zu ermitteln, in erster Linie auf Senioren ausgelegt sind und nicht auf Kinder. Dies erschwert das Prozedere zusätzlich. Nach Vollendung des ersten Lebensjahres wurde unser Sohn mit der Begründung, dass er „nun selbständiger sei“ und „im Vergleich zu Gleichaltrigen keinen wesentlich hö heren Pflegebedarf aufweise“ auf den niedrigsten Pflegegrad zurückgestuft. Windeln wechseln und Nahrung geben müsse man schließlich auch bei allen anderen Einjährigen. Ich war so wütend. Ich fühlte mich hin tergangen und allein gelassen. Niemand wollte die immense Pflegearbeit sehen, die in der Familie täglich geleistet wird und die für unseren Sohn eben genau Aufwand wird nicht gewürdigt Hinzu kommt, dass z.B. die Fragebö

der Grund dafür war und immer noch ist, dass es ihm „so gut“ geht. Niemand wollte das anerkennen. Dies bedeute te im Umkehrschluss: Würden wir die Therapie unseres Sohnes vernachläs sigen, ginge es ihm vermutlich deutlich schlechter und wir müssten auch viel häufiger kostspielige ambulante und stationäre Behandlungen in Anspruch nehmen, würden dafür aber mit einem höheren Pflegegrad „belohnt“ werden. Was für ein Hohn. Gericht als letzte Instanz Nun regte sich Widerstand in mir und zufälligerweise wurde genau zu diesem Thema auf einem Patienteninfotag von einer Rechtsanwältin referiert. Kurzent schlossen nahm ich Kontakt mit ihr auf und mein Mann und ich begaben uns das erste Mal in unserem Leben in einen Rechtsstreit. Wir, der kleine David, ge gen den großen Goliath, die Pflegever sicherung. Nach etwa anderthalb Jahren gab die Pflegekasse klein bei und stufte unseren Sohn wieder auf den vorherigen Pflegegrad zurück. Auch die Anerkennung des Schwerbe hindertenausweises gestaltete sich vergleichbar schwierig. Sie endete zum Schluss sogar in einer Gerichts verhandlung, zu der mein Mann und ich erscheinen und unser Anliegen ver treten mussten. Aber auch hier waren wir erfolgreich, nicht zuletzt, weil im Gerichtssaal selbst dann doch oftmals die Menschlichkeit siegt. Selbst wenn wir gescheitert wären, hätten wir diesen Weg nicht bereut und würden ihn jeder zeit wieder gehen.

Vinzenz bei seinem letzten Infusionswechsel bei der Heim IV Therapie im April 2023

Aus Sicht der Eltern eines Kindes mit Mukoviszidose berichtet Melanie Ober maier. Sie zeigt die Schwierigkeiten auf und rät zum Durchhalten. Unbekanntes Gebiet Anfangs war es Neuland und unge wohnt: Rechtsschutzversicherung abschließen, Rechtsanwalt suchen, Briefe und E-Mails mit Juristendeutsch lesen und beantworten, mit dem Anwalt juristische Spitzfindigkeiten am Telefon diskutieren und vieles mehr. Aber man wächst mit seinen Aufgaben und darf am Ende auf die Gerechtigkeit hoffen. Unser Sohn ist mittlerweile fast sechs Jahre alt. Kurz nach der Geburt wurde Mukoviszidose diagnostiziert und er befindet sich seitdem konsequent in Therapie. Dementsprechend gut und stabil ist glücklicherweise auch sein Ge sundheitszustand. Äußerlich sieht man ihm seine schwere Grunderkrankung nicht an – und genau das ist seit Jahren unser „Problem“, wenn es z.B. um die

Melanie Obermaier, Mutter eines sechsjährigen Sohnes mit CF

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