muko.info 4/2022 Transplantation bei Mukoviszidose

Reflexion eines Wunders Nach Transplantation Mobilität neu entdeckt

Am 2. August 2020, um 23.20 Uhr etwa, klingelte mein Handy. Unbedarft nahm ich das Gespräch an: „Hier ist das deutsche Herzzentrum, Herr Ranisch … wir haben eine Lunge für Sie.“

das absolut unmöglich“, … mahnte ich, in Erinnerung an Sauerstoffmangel, Rol lator und Notarzteinsatz! Sie antwortete kurz: „Du hast eine NEUE Lunge, Jörn!“ Eine Stunde später waren wir wieder zu Hause: „ICH WAR EINKAUFEN! FUCK… ICH WAR EINKAUFEN, ZU FUß!“, schrie ich ins Telefon meiner Mutter entgegen. Die Lunge tat, als ob sie noch nie etwas anderes getan hätte. Der Winter begann. Es lag Schnee! Wir gingen mit den Kindern mit dem Schlitten rodeln, ich war RODELN! Hatte ich bestimmt gute 30 Jahre nicht mehr gemacht. Berg runter, Berg wieder HOCH! Mit Schlitten im Schlepptau und Tochter drauf! Kein Husten, nicht mal bei Minus zwölf Grad, und dabei hatte ich im Su permarkt sogar Taschentücher gekauft! Der Frühling kam und mit ihm auch die Sicherheit, dass da was geht, wörtlich! Karfreitag 2021 beschlossen wir, zu dritt mit dem Töchterchen in den Tierpark (der größte Europas) zu gehen. Am Ende des Tages verriet uns die Bewegungs-App auf dem Handy meiner Frau, dass wir insgesamt sieben (!) Kilometer durch den Park gewandert waren. Wir machten einen Screenshot und verschickten ihn an die Familie und Freunde. Sieben Kilometer waren für mich bis dahin unerreichbare Welten — jetzt hatte ich sie erobert! Die Schritte-App wurde mein bester Freund! Im folgenden Sommer machten wir eine kleine Reise, fuhren ins Elbsandsteingebirge zum Wandern und „herumklettern“. Durch die viele Bewegung normalisierte sich

Jörn Ranisch auf Entdeckungstour mit seiner Tochter.

Schritt für Schritt zurück in den neuen Alltag Als ich nach anschließender Reha am 15. Oktober 2020 endlich mit meiner neuen Lunge in mein neues, altes Leben entlassen wurde, waren meine Frau und meine Tochter aufgeregt wie beim ersten Date — wir waren einfach nur glücklich uns wiederzusehen! Die erste Zeit verbrachte ich in der Wohnung. Ich schonte mich auf dem Sofa bei Netflix und Co! Ich kontrollierte den Blutzucker, die Atemstoßfähigkeit und wunderte mich darüber, dass ich Luftballons aufblasen oder auch „Luft anhalten“ konnte. Diese lethargische Selbstzufriedenheit wurde dann vom Vorschlag meiner Frau, „wir könnten ja jetzt mal im Supermarkt einkaufen gehen“, unterbrochen. Entsetzt sah ich sie an, wie konnte sie wagen, mir solch einen risikoreichen Vorschlag zu ma chen? Der Supermarkt ist ca. 200–250 Meter von uns entfernt! „Ohne Auto ist

Ein Strudel von Ereignissen erfasste mich und ich tauchte darin unter. Ge fühlte Momente später erlangte ich eine Vorstufe meines Bewusstseins zurück, ich wusste nicht wieviel Zeit verstrichen war; ich erkannte lediglich, dass ich in einem Krankenhaus lag und nicht im Nirvana schwebte. Diese beruhigende Erkenntnis lies mich wieder in mich selbst zurücksinken. Als ich das nächste Mal so etwas wie erwachte, saß meine Lebenspartnerin an meinem Kopfende und ich glaube, sie hielt meine Hand. Auch diese Wahrnehmung, die ich noch nicht als Realität erkannte, ließ mich innerlich zufrieden in mir selbst ruhen! Tage später, bei mehr oder weniger vollem Bewusstsein, wurde ich von der Intensivpflegestation in den Himmel verlegt, den man Station H2 nannte. Das Leben kehrte zurück, vor allem in meinem Kopf; ich konnte die Sendun gen im TV wieder richtig verfolgen und Zusammenhänge erkennen.

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