muko.info 4/2022 Transplantation bei Mukoviszidose
Es ging zunächst nur ums Überleben Ein Interview mit Michael Hohmeyer Das Interview heute ist mir eine ganz besondere Freude. Michael Hohmeyer (56) bekam im Dezember 1988 als erster Muko viszidose-Patient in Deutschland eine neue Lunge transplantiert, beziehungsweise ein Herz und eine Lunge. Damals wurden Herz und Lunge im „Paket“ verpflanzt, heute wird das Herz nur mit transplantiert, wenn das eigene Herz zu stark geschädigt ist. Ich kenne Michael aus meinen ersten Jahren in der MHH durch gemeinsame stationäre Aufenthalte, denn damals wurden die paar „großen Mukos“ noch auf der Kinderstation behandelt. Michael lebt nun schon unglaubliche 34 Jahre mit seinen transplantierten Organen.
muko.info: Hallo Michael, ich freue mich sehr auf unser Gespräch. Es ist bestimmt 15 Jahre her dass wir uns ge sehen haben, wie geht es Dir aktuell? Michael: Danke, es geht mir sehr gut. Ich habe ja außer 1989, dem ersten Jahr nach meiner Transplantation, keine Abstoßungen mehr gehabt und leide zum Glück auch nicht unter der chroni schen Abstoßung. Das bedeutet, ich bin arbeits- und alltagsfähig und kann ein normales Leben führen. Wie war das eigentlich damals? Sind die Ärzte auf Dich zugekommen oder hattest Du vorher schon von dieser neuen Mög lichkeit gehört. In den 80er-Jahren konn test Du das ja nicht mal eben googeln. in der MHH-Kinderklinik stationär in Behandlung war, wurde im Januar 1988 Herz-Lungen-transplantiert. Ich dachte damals: „Das geht?! Dann will ich das auch!“. Von da an hörte ich nicht mehr auf, an diesen Eingriff zu denken, denn ich war damals schon schwer krank. Michael: Ein zweijähriges Kind, welches auf der gleichen Station wie ich damals Was waren Deine Ängste und Hoffnun gen, was hattest Du für eine Vorstellung von der OP und der Zeit danach? Du konntest ja niemanden nach Erfahrun gen fragen.
mindest nicht gespürt. Ich war seit Ende 1987 schon sehr krank, hatte sehr viel Sekret, nahm ständig Sauerstoff, war durch die stundenlangen Autogen-Drai nage-Sitzungen so erschöpft und verzwei- felt, dass ich quasi sofort entschlossen war und keine Ambivalenz gespürt hatte. Ich hatte 1988 viel Zeit in der Klinik ver- bracht und konnte mich umfangreich informieren. Ein Chirurg hatte mir einen großen Bild-Atlas über Herz- und Herz- Lungen-Transplantationen geliehen, sodass ich gewisse Vorstellungen über den technischen Ablauf hatte. Bezüglich der Zeit danach hatte ich weder konkre te Vorstellungen noch Hoffnungen. Es ging zunächst nur ums Überleben. Über alles andere konnte ich mir ja später noch Gedanken machen. Was hast Du damals für Reaktionen be kommen, von anderen Mukos, Familie, Freunden? Ich war damals 13 Jahre alt und erinnere mich noch so gut an ein Gespräch mit einer älteren Muko-Pati entin, nach dem Motto „Hast Du gehört, was Michael machen will“ und wie un glaublich wir das fanden, verrückt und mutig zugleich und wir würden so etwas nie machen (Anmerkung Interviewerin: ähem, bin mittlerweile seit neun Jahren transplantiert ;-) ). Michael: Meine Eltern waren sofort dafür. Sie waren damals in großer Sorge um mich und hatten auf einmal etwas, worauf sie hoffen konnten.
Andere Muko-Patienten auf der 61 b der MHH-Kinderklinik waren damals deut lich skeptischer und zurückhaltender – zumindest für sich. Manche sprachen mich an und fanden meine Entschei dung mutig. So hatte ich das selbst nie gesehen, weil ich meine Ängste ja nicht gespürt hatte und die Transplantation schlicht der Strohhalm war, nach dem ich greifen wollte, um mich aus meiner Not zu retten. Michael: Ich wartete nur wenige Monate, aber mehr Zeit hatte ich auch nicht mehr. Wenige Wochen vor der Trans plantation hatten mich die Ärzte schon für prä-final gehalten. Mein Kohlendio xid-Wert im Blut war extrem hoch, ich war sehr schläfrig und man nahm an, ich würde nur noch wenige Tage leben. Ich kann mich an diese Zeit erinnern, ich habe trotz Schläfrigkeit einfach immer weiter gemacht und nie aufgehört mit dem Inhalieren und den Drainage-Sit zungen. Außerdem wirkte – von den Ärzten nicht erwartet – diese eine letzte I.V.-Antibiose-Behandlung, die ich vor meiner Transplantation erhielt. War Dir bewusst, dass Du Medizinge schichte geschrieben hast? Was ist das heute für ein Gefühl? Wie lange musstest Du warten und was war das für ein Gefühl als es los ging?
Michael: Ich will nicht sagen, dass ich keine Ängste hatte, aber ich habe sie zu-
Michael: Ich habe damals nicht an Geschichte gedacht. Und das ist es ja
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