muko.info 2/2022 "Mit Mukoviszidose im Ausland leben"
Portugal Die portugiesische CF-Versorgung holt auf
Bei dem ältesten Sohn von Carla Simões wurde 2012 drei Wochen vor seinem dritten Geburtstag Mukoviszidose festgestellt. Die Familie lebt in Portugals Hauptstadt Lissabon. Wie so vielen Menschen in Portugal war auch Carla die Mukoviszidose fast völlig unbekannt, abgesehen von einem weit entfernten Hinweis in einer Folge von Grey’s Anatomy. Ein „prophetischer Um- stand“ ist, dass sie direkt neben dem Hauptsitz der Nationalen CF-Organisation wohnt.
Drei Jahre bis zur Diagnose Als er geboren wurde, war Mukoviszi- dose nicht im Neugeborenen-Screening (NBS) aufgeführt, und Sie können sich vorstellen, was für ein Albtraum dies für eine Mutter in diesen ersten drei Jahren war. Wir hatten einen wunderschönen, lächelnden, hünenhaften, unaufhaltsa- men Jungen, der „supergesund“ aussah. So gesund und witzig, dass jeder Arzt glaubte, Mutti würde sich etwas ein- bilden. Da es sich um eine so seltene Erkrankung handelt, haben die meisten Hausärzte in Portugal keine Erfahrungen damit, und das, was sie in der medizi- nischen Ausbildung lernen, ist zu vage, als dass sie die Symptome erkennen könnten. Trotzdem wurde bei unserem Sohn auch ein Schweißtest gemacht. Leider war er so stark unterernährt, dass der Test zunächst negativ ausfiel. Dies
trug dazu bei, dass seine Diagnose noch weiter hinausgezögert wurde. Aber als sein Kinderarzt, besorgt über seinen riesigen Bauch, eine Ultraschalluntersu- chung durchführen ließ, stellte er Ver- änderungen in der Leber und der Bauch- speicheldrüse fest. Der Schweißtest wurde wiederholt, und wir verstanden endlich, was mit ihm los war. Das CF-Zentrum in Lissabon Sobald die Diagnose gestellt war, wurde von den Ärzten alles sehr gut gehand- habt. Sein Kinderarzt setzte sich sofort mit dem Mukoviszidose-Zentrum im Zentralkrankenhaus von Lissabon in Verbindung und in weniger als einer Woche hatte er seinen ersten Termin. Etwa drei Jahre später gelang es den Mukoviszidose-Ärzten und dem natio- nalen Verband endlich, diese Diagnose in das NBS aufzunehmen, sodass eine Geschichte wie unsere nicht mehr vorkommen dürfte. Babies, bei denen Mukoviszidose diagnostiziert wurde, erhalten sofort eine Therapie, und das macht einen großen Unterschied aus für ihre Entwicklung. In Portugal gibt es fünf medizinische Zentren für Mukoviszidose: zwei in Porto, zwei in Lissabon und eines in Coimbra. Jedes dieser Zentren verfügt über getrennte Abteilungen für Kinder und Erwachsene. Die Patienten gehen alle zwei Monate dorthin, wenn sie sta-
bil sind – wenn nicht, öfter. Jedes Mal werden sie gewogen und gemessen, die Atemkapazität wird durch Spirometrie überprüft, und es wird Schleim zur bak- teriellen Analyse entnommen. Ihr Leben wird von den Ärzten und Krankenschwestern begleitet, sogar ihr Schulplatz und ihre außerschulischen Aktivitäten, damit sie nicht mit einem anderen Patienten zusammentreffen, der möglicherweise infiziert ist. Alle Me- dikamente werden vom Krankenhaus zur Verfügung gestellt und vollständig von der Regierung finanziert, einschließlich Nahrungsergänzungsmittel, falls erfor- derlich. Während der Covid-Pandemie wurden diese Mittel sogar persönlich zu den Patienten nach Hause geliefert. Zu unserer normalen Therapie gehören Enzyme, Vitamine und Inhalationen (Alfadornase). Orale und inhalative Anti- biotika gegen Infektionen (z.B. Tobramy- cin) werden vom Krankenhaus ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt. Alle Inhalations- und Sauerstoffgeräte wer- den privat zur Verfügung gestellt, aber zu 100% von der Regierung finanziert. Physikalische Therapie ist üblich und wird von den Ärzten dringend empfoh- len, ebenso eine gezielte körperliche Betätigung. Wir verwenden Beatmungs- geräte wie Acapella und Aerobika, Flöten und andere. Diese werden auf Kosten des Patienten angeschafft. Diese Art der Therapie wird nicht vom Staat finanziert und wir erhalten auch keine finanzielle Unterstützung dafür. Hier in Lissabon finanziert der nationale Muko-
Carla Simões berichtet über ihren Sohn in Lissabon
Schwerpunkt-Thema: Leben mit Mukoviszidose im Ausland 10
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